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einBlick: Der Charme der Prozente

Nach kontinuierlichem Anstieg hat der Leitzins in der Eurozone mit 4,0 Prozent seinen höchsten Stand seit 2008 erreicht. So schnell kann es gehen: Noch in der ersten Jahreshälfte 2022 mussten Sparer nach Mitteln und Wegen suchen, um Negativzinsen für Konto- und Sparguthaben zu vermeiden. Jetzt stellt sich angesichts der Notenbankpolitik eine ganz andere Frage: Lohnt sich bei diesem Zinssatz Festgeld wieder oder gibt es Alternativen an den Geld- und Kapitalmärkten? Antwort: Genau hinschauen und nicht dem Charme der plakativen Prozente erliegen.

Obwohl die Zinswende schon seit mehreren Monaten vollzogen wurde, spüren viele Sparer davon nur wenig bei ihren Hausbanken – es sei denn, sie kümmern sich um eine Finanzierung oder landen im Dispo. Dann schlagen die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank bei den Konditionen schon voll durch. Deutlich zurückhaltender sind viele Institute bisher bei der Gewährung von Tages- oder Festgeldzinsen. Hier werden vielerorts immer noch Niedrigzinsen an Sparer ausgezahlt.

Viele Sparer machen sich daher aktiv auf die Suche nach attraktiven Zinsangeboten. Dies erweist sich – trotz durchaus vorhandener Angebote am Markt – aber weiterhin als schwierig. Bei nüchterner Betrachtung sind nämlich nicht alle Festgeldangebote der Finanzwirtschaft wirklich attraktiv. Wie so oft empfiehlt sich ein Blick ins Kleingedruckte: Viele Angebote gibt es nur für Neukunden oder für neues Geld von Altkunden. Geld, das bereits bei der Bank liegt, wird selten höher verzinst, wenn die Bank ihre Konditionen anpasst. Eine große Zahl der Angebote ist zudem zeitlich befristet oder gilt nur bis zu einer bestimmten Summe – oder beides zusammen. Manche Institute sind besonders kreativ: Sie bieten einen relativ hohen Zinssatz für Festgeld, aber nur wenn der Anleger noch einmal die gleiche Summe in andere, hauseigene Produkte mit hohem Ausgabeaufschlag investiert. Begründet wird dies oft damit, dass man in der Negativzinsphase nicht oder nur ganz selten die Zinsen an die Kunden weitergegeben hat.

Wirklich attraktive Zinsen beim Festgeld gibt es in der Regel nur bei einer Bindung von mindestens zwölf Monaten, Topzinsen erst ab drei Jahren. Mit Blick auf die Politik der Europäischen Zentralbank kann eine lange Zinsbindung aber schnell zu Enttäuschung bei Sparern führen. Immerhin wird noch im Jahr 2023 mit mindestens einem weiteren Zinsschritt in der Eurozone gerechnet. Wer sich also zu früh und lange bindet, verpasst womöglich deutlich bessere Konditionen in den nächsten Monaten.

Es gibt aber durchaus Alternativen zu langfristigem Festgeld oder einem aufwendigen Zins-Hopping – also dem Wechsel zwischen verschiedenen Tagesgeldern und Banken, um immer von den besten Konditionen zu profitieren. Zu den Optionen gehören etwa Geldmarktfonds und -ETFs. Diese investieren breit diversifiziert in kurzfristige Zinspapiere, die von qualitativ hochwertigen Emittenten ausgegeben und am Geldmarkt gehandelt werden. Diese Papiere umfassen staatliche Emissionen, Bankobligationen, Commercial Papers sowie Bankguthaben, Tages- und Termingelder. Unterschieden wird hier konkret zwischen Geldmarktfonds und geldmarktnahen Fonds: Geldmarktfonds investieren fast ausschließlich in Geldmarktinstrumente. Geldmarktnahe Fonds haben die Möglichkeit, nur 51 % Ihres Kapitals tatsächlich am Geldmarkt anzulegen. Das verbleibende Kapital kann vom Fondsmanagement auch in Anleihen investiert werden, die eine längere Restlaufzeit als ein Jahr haben. Dazu gehören beispielsweise Unternehmensanleihen oder Anleihen mit variablen Zinssätzen. Da diese Fonds in Anlagen mit längeren Restlaufzeiten investieren, unterliegen sie in der Regel etwas höheren Kursschwankungen im Vergleich zu reinen Geldmarktfonds. Dadurch besteht ein leicht erhöhtes Risiko. Allerdings bieten sie auch das Potenzial für eine höhere Rendite.

In der Regel haben Privatinvestoren keinen direkten Zugang zum Geldmarkt, da er hauptsächlich von großen Akteuren wie Banken, Zentralbanken, Unternehmen und Regierungen genutzt wird. Daher sind vielen Anlegern die Besonderheiten des Geldmarkts als Anlageklasse oft weniger vertraut. Dennoch spielt der Geldmarkt eine wichtige Rolle im Finanzsystem, da es Unternehmen, Banken und anderen Finanzinstituten ermöglicht, kurzfristige Finanzierungsmöglichkeiten zu nutzen und Liquidität zu erhalten. Geldmarktfonds gelten aufgrund der Stabilität des Geldmarkts und der geringen Schwankungen der Zinssätze als relativ sichere Anlage. Anleger können jederzeit auf ihr investiertes Geld zugreifen, weshalb entsprechende Geldmarktfonds eine höhere Flexibilität als Festgelder bieten.

Eine vergleichbare Verzinsung und Flexibilität bieten auch Indexfonds, welche die Entwicklung der „€-Short-Term-Rate“ (früher: EONIA) nachbildet. Der €STR soll wiedergeben, wie viel eine Bank bezahlen muss, wenn sie bei anderen Banken und Finanzinstituten bis zum nächsten Geschäftstag Geld aufnimmt, ohne Sicherheiten zu stellen. Dieser Referenzzinssatz wird täglich von der Europäischen Zentralbank aus aktuellen Daten berechnet und veröffentlicht. Derzeit liegt dieser bei 3,4 Prozent.

Auch wenn Geldmarktfonds in Sachen Flexibilität dem Festgeld deutlich voraus sind, können auch sie nicht mit der nach wie vor hohen Inflation mithalten. Die Realzinsen sind angesichts der starken Teuerung weiterhin negativ. Wer höhere Zinsen erwirtschaften möchte und bereit ist, dafür auch entsprechende Schwankungen in Kauf zu nehmen, wird an den Kapitalmärkten fündig. Hier bieten sich insbesondere Anleihefonds an, die in Zinspapiere mit Laufzeiten von bis zu drei Jahren an. Anleihen sind Wertpapiere, die von Staaten oder Unternehmen herausgegeben werden und über die Börse gehandelt werden. Wegen der etwas längeren Laufzeiten sind die Schwankungen etwas höher als auf dem Geldmarkt, Zinsänderungen wirken sich aber trotzdem kaum auf die Entwicklung von „Kurzläufern“ aus. Anders als auf Sparbüchern, Fest- oder Tagesgeldkonten wird das in Fonds und ETFs angelegte Kapital auch als Sondervermögen geführt. Bei Bankturbulenzen oder Pleiten geht es deshalb nicht mit unter. Fondsanleger sind demnach nicht auf den begrenzten (100.000, – € pro Bank) und in Krisenzeiten wackligen Schutz der Einlagensicherung angewiesen.

Für die Wahl von kurzen Laufzeiten bei Anleihen gibt es neben den geringeren Schwankungen aktuell auch einen weiteren Grund: Längere Laufzeiten werden derzeit nicht mit einem entsprechenden Renditeplus vergütet. Ganz im Gegenteil erhalten Anleger in vielen Fällen sogar eine höhere Rendite bei Kurzläufern. Schon seit dem vergangenen Sommer werfen zweijährige US-Staatsanleihen mehr ab als die zehnjährigen Pendants. Experten sprechen in diesem Fall von einer inversen Zinskurve.

Anleger, die sich bei der Auswahl keine Fremdwährungsrisiken in das Depot holen möchten, sollten bei der Auswahl tendenziell auf Euro-Anleihen setzen. Auch global investierende Fonds können das Währungsrisiko absichern (häufig als „Währungs-Hedging“ bezeichnet), dies ist aber immer auch mit Kosten verbunden und schmälert damit die Rendite. Und grundsätzlich gilt gerade bei risikoärmeren Anlagen: Der Blick auf die Produktkosten ist hier doppelt wichtig!

Fazit: Wer bequemes Investieren einem „Tagesgeld-Hopping“ vorzieht, ist mit einem Fonds oder ETF auf kurzlaufende Euro-Anleihen oder den Geldmarkt gut beraten. Sie sind eine attraktive Alternative zum Festgeld, da sie täglich handelbar sind und Anleger damit zu jeder Zeit auf Marktentwicklungen reagieren können. Gerade im Falle von überraschenden Leitzinsänderungen kann diese Flexibilität Gold wert sein.


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